Am 20. Januar 2012 veranstalteten acht Mitglieder der Pussy Riot Frauen-Punk-Band eine kühne Anti-Putin-Performance auf dem Roten Platz. Sie wurden zur Feststellung der Personalien festgesetzt, mussten umgerechnet 13 Euro zahlen und kamen wieder auf freien Fuß. Im Februar betraten sie die Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau, das zentrale Gotteshaus der Russisch-orthodoxen Kirche.
(http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/9c/Katedra_Chrystusa_Zbawiciela_w_Moskwie_2.jpg/917)
Sie sprachen vor dem Altar ein sogenanntes Punk-Gebet, in dem sie die Vertreter der Kirche, die Putin unterstützen würden, u.a. als „Scheiße des Herrn“ bezeichneten. Sowohl diese als auch die Performance im Januar wurden ins Internet gestellt und von Hunderttausenden gesehen.
(http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/03/Cathedral_of_Christ_the_Saviour_in_Moscow_04.JPG)
Am 17. August wurden drei Pussy Riot-Mitglieder nach sechsmonatiger Untersuchungshaft zu zwei Jahren Straflager verurteilt.
Der Ort und Inhalt der Performance hat Gräben aufgerissen und vertieft. Sie hätte so nicht stattfinden dürfen. Es ist bedauerlich, dass die Mitglieder der Band fast ein halbes Jahr benötigten, sich bei den Gläubigen zu entschuldigen. Auf der anderen Seite hätten die Frauen nicht inhaftiert werden dürfen. Das Verfahren, die Verfahrensführung (warum durfte die eine der Angeklagten sechs Monate ihr kleines Kind nicht sehen?) sowie das Urteil diente nicht zuletzt der Einschüchterung.
Sowohl die Verteidiger als auch die Gegner von Pussy Riot wollen die gegnerische Seite in die Knie zwingen. Das ist nicht gut für das Land. Russland braucht keine Eskalation zwischen den verschiedenen weltanschaulichen Lagern. Es wäre auch zu kurz gedacht, die Verantwortung hierfür lediglich auf einer Seite zu sehen. Ein großer Teil der deutschen Medien ist leider diesen Weg gegangen. Der „Spiegel“ titelte Mitte August, Russland befinde sich „auf dem Weg in die lupenreine Diktatur“. Boris Reitschuster schrieb zur gleichen Zeit im „Focus“, Putin führe sein Land mit „totalitärer Gewalt“. Diese Ansichten teile ich nicht. Ich bin davon überzeugt, dass das Schüren von Emotionen und das Malen von Schwarz-Weiß-Bildern die Entwicklung und weitere Öffnung des politischen Systems Russlands behindert.
Russland ist im Winter drei Schritte nach vorn gesprungen. In den vergangenen Monaten ging es zwei Schritte zurück. Wohlgemerkt zwei und nicht etwa vier.