Die Rückkehr eines Verstoßenen

Wladislaw Surkow war lange Jahre stellvertretender Chef der Kremladministration. Er galt vielen Beobachtern als „Graue Eminenz“, als drittmächtigster Mann Russlands (nach Putin und Medwedew). Er besaß nicht nur prägenden Einfluss auf die Berichterstattung in zentralen Medien, sondern auch auf die Agenda des Parlaments oder von Parteien. Surkow schien der Strippenzieher der russischen Innenpolitik zu sein

Vladislav_Surkov_and_Dmitry_Medvedev_18_June_2012Ende 2011 setzten Großdemonstrationen für eine Öffnung des politischen Systems Russlands ein (s. hierzu meine Beitrage von Dezember 2011 bis März 2012). – Also gegen ein System, als dessen Architekt Surkow galt. Der pressescheue Surkow gab zu dieser Zeit eines seiner sehr seltenen Interviews. Nach seine Worten sei das gegenwärtige politische System Russlands sei nicht zu verteidigen, es würde „knallen“, wenn es keine Möglichkeit gebe, Dampf abzulassen. Ja, die Protestierenden seien der beste und produktivste Teil der Gesellschaft, deren vernünftigen Forderungen Rechnung getragen werden sollte. Seine Worte waren wahrscheinlich ernst gemeint.

Kurze Zeit darauf wurde er von seiner Aufgabe in der Kremladministration entbunden und zum stellvertretenden Ministerpräsidenten degradiert. So verstanden es die Beobachter und wohl auch er selbst.

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Im Frühjahr 2013 widersprach Surkow Präsident Wladimir Putin öffentlich, der eine mangelhafte Arbeit des Kabinetts gerügt hatte. Etwa zeitgleich wurden vom staatlichen Ermittlungskomitee glaubhafte Vorwürfe erhoben, Surkow würde die Opposition finanzieren. Er griff dessen Sprecher Wladimir Markin scharf an und forderte indirekt, „das Schwein rauszuwerfen“.

Es war aber Surkow, der seinen Posten verlor. Er wurde mit vier dürren Zeilen entlassen, weil er seinen Aufgaben im Kabinett nicht hinreichend nachgekommen sei. Das Verhältnis Surkow-Putin schien zerrüttet. Die Entlassung wurde gemeinhin auch als weitere Schwächung von Ministerpräsident Dmitri Medwedew gedeutet.

Seit Anfang September gab es Berichte in der russischen Presse, Surkow werde in den Kreml zurückkehren. Sie haben sich bewahrheitet. Surkow hat bereits wieder eine Funktion im Zentrum der Macht und ist für die Beziehungen zu Abchasien und Südossetien zuständig, in Zukunft könnten noch die Ukraine und Georgien hinzukommen.

Wie ist dies zu deuten?

Putin besitzt bei den Befürwortern einer autoritären Politik eine breite Basis. – Aber er besaß diese bis 2011/12 auch bei denjenigen, die eine politische Öffnung möchten. Letztere sind in den vergangenen eineinhalb bis zwei Jahren zu einem Teil in das Lager der Opposition gewechselt oder betrachten Putin zumindest nicht mehr als einen der ihren. Putins innenpolitische Basis ist schmaler geworden. Die Berufung Surkows ist somit ein Signal an die Verfechter einer innenpolitischen Öffnung, das auch Unbequeme nicht unbedingt ins Abseits gestellt werden. Ist dies nur Taktik ist ohne Substanz? Das wird auch vom weiteren Schicksal Surkows abhängen.

Surkow ist kein Apparatschik, kein Liebhaber bürokratischer Routine, sondern ein schillernder Intellektueller, der noch für Überraschungen gut sein dürfte.

Quellenangaben:

Foto 1: Wladislaw Surkow und Ministerpräsident Dmitri Medwedew im Juni 2012, http://government.ru/docs/19334/photolents.html auf http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Vladislav_Surkov_and_Dmitry_Medvedev_18_June_2012.jpeg?uselang=de

Foto 2: Wladimir Markin, März 2011,  https://picasaweb.google.com/108573012299437252367 http://en.wikipedia.org/wiki/en:Creative_Commons http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en