Zunächst werde ich kurz Ereignisse der vergangenen Jahre skizzieren. Danach wird dieser 8. Teil der Reihe über den Kaukasuskrieg von 2008 mit den Schlussfolgerungen beendet.
Der Waffenstillstand von Mitte August 2008 hielt, trotz erheblicher und anhaltender Differenzen über deren Auslegung. Kontakte zwischen Abchasien und Südossetien auf der einen sowie Georgien auf der anderen Seite gab es seit dem Krieg aber nicht mehr. Saakaschwili blieb bei seiner Version, dass Russland den Krieg begonnen habe. Er fand viele Zuhörer, die ihm glauben wollten, trotz der Fakten, die seine Worte Lügen straften. 2011/12 gab es Anzeichen, dass die georgische Führung versuchen könnte den russischen Nordkaukasus zu destabilisieren.
(Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/e4/Caucasus-political_de.svg)
Diese Phase endete im Herbst 2012, als die Partei Saakaschwilis bei den Parlamentswahlen eine deutliche Niederlage erlitt.
Die georgisch-russischen Beziehungen haben sich unter dem neuen Ministerpräsidenten Bidsina Iwanischwili deutlich entspannt. Georgien hat erklärt, an den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 teilzunehmen, Iwanischwili deutet die Schuld seines Landes am Kriegsausbruch 2008 an und der zweiseitige Handelsaustausch kommt wieder in Gang.
(Quelle des Fotos: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/65/Bidzina_
Ivanishvili_%28cropped%29.jpg)
Saakaschwili, noch immer Präsident, wird in Kürze abtreten müssen. Einige seiner engsten Weggefährten sind von georgischen Gerichten bereits rechtskräftig verurteilt und sitzen im Gefängnis wie der ehemalige Innenminister oder sind flüchtig wie der ehemalige Justizminister. Saakaschwili bleibt seinem Stil treu. Vor kurzem erklärte er im Fernsehen: Russland habe Georgien 2008 völlig zerschlagen wollen, die Präsenz der US-Flotte habe dies verhindert … Zudem gebe es in Georgien Parteien, die offen durch Russland finanziert würden. Saakaschwili verbreitet die absurde Behauptung, die Partei des Ministerpräsidenten habe 2 Milliarden US-Dollar aus Russland erhalten.
Iwanischwili sendet tatsächlich ausgesprochen freundliche Signale aus, so sagte er: „Es gibt ein nostalgisches Gefühl in Russland für Georgien und ein nostalgisches Gefühl in Georgien für das russische Volk.“ Aber auch die neue Regierung findet sich nicht mit den Gebietsverlusten ab und ist nicht bereit, ein Gewaltverzichtsabkommen zu unterzeichnen.
Die Schlussfolgerungen
Abchasien, Georgien und Südossetien
Vor 2004 gab es eine realistische Möglichkeit, dass sich Georgien auf der einen sowie Abchasien und Südossetien auf der anderen Seite wieder eine gemeinsame Zukunftsperspektive erarbeiten. Dies wurde bis zum Herbst 2006 vermutlich auch von Russland angestrebt. Seit dem August 2008 aber hat Georgien 20 Prozent seines Territoriums auf Dauer verloren, weil es den „eingefrorenen Konflikt“ in mehreren Schritten 2004, 2006 bzw. 2008 „aufgetaut“ hat. Abchasien und Südossetien werden nicht in den georgischen Staatsverband zurückkehren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich in der Zukunft neue Möglichkeiten erschließen. Aber das weder absehbar noch realistisch.
Anders als zwischen 2004 und 2008 kann eine Politik der Eskalation nicht mehr in Frage kommen. In Südossetien wie in Abchasien sind je 3500 russische Soldaten stationiert. Diese Truppenstärke ist hinreichend für die Verteidigung der Gebiete, aber keine Drohkulisse gegenüber Georgien. Anders übrigens im Norden Zyperns: Dort stehen 40.000 türkische Soldaten, auf jeden 7. Einwohner der Türkischen Republik Nordzypern kommt somit ein Soldat aus dem „Mutterland“.
Russland
Russland hat durch den Kriegseintritt, seinen raschen Sieg und seine standfeste Politik seitdem seine Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit gezeigt. Das Renommee Russlands ist gestiegen.
Andererseits wurde die Isolierung Moskaus offenkundig: Russland entschloss sich Ende August 2008 zur völkerrechtlichen Anerkennung sowohl Südossetiens als auch Abchasiens. Aus Sicht des Kreml gab es hierfür nachvollziehbare Gründe, sie waren aber kaum hinreichend, und die Kosten der Anerkennung waren hoch: Der Westen reagierte empört, und kein GUS-Land, ja sogar kein anderes Land Eurasiens wollte Moskau folgen. China war erkennbar verstimmt. Die Anzahl der Staaten, die die Gebiete völkerrechtlich anerkannten, blieb trotz intensiven Werbens Russlands auch in den folgenden Jahren sehr gering (s. Karte).
(Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/25/CountriesRecognizingAbkhazia%26SouthOssetia.png)
Russland besitzt keine Gefolgsleute. Vielleicht lesen Sie irgendwo einmal, Lukaschenko (Weißrussland) oder Assad (Syrien) seien „Vasallen“ Moskaus (s. z.B. http://www.sueddeutsche.de/politik/mutmasslicher-angriff-mit-chemiewaffen-zivilisationsbruch-vor-damaskus-1.1752558) Dann müsste man fragen, warum sie Abchasien und Südossetien nicht diplomatisch anerkennen? Immerhin ist dies seit Jahren eine der zentralen Herzensanliegen russischer Außenpolitik.
Russland hat keine „Vasallen“, selbst in Abchasien und Südossetien ist der Einfluss des Kreml so begrenzt, dass es beispielsweise regelmäßig zu Wahlergebnissen kommt, die Moskau gar nicht gefallen.
Der Westen schlug sich im August 2008 überwiegend auf die georgische Seite. Russland reagierte hierauf mit ungläubigem Staunen und schließlich mit Verbitterung über die euro-atlantische Welt. Dies trug dazu bei, dass die außen- und innenpolitische Öffnung unter dem neuen Präsidenten Dmitri Medwedew nicht in Gang kam. Immerhin ist Saakaschwili von Washington jahrelang als Musterbeispiel eines Demokraten herausgestellt worden. Durch diese einseitige, demonstrative und ungerechtfertigte Stellungnahme wurde die demokratische Entwicklung sowohl Russlands als auch Georgiens mit einer Hypothek belastet.
Deutschland
Berlin versuchte nachdrücklich, die Heißsporne in Moskau, Tiflis oder etwa Washington zu zügeln. Vor dem August 2008 leider nur mit begrenztem Erfolg. Danach verstärkte Deutschland sein Engagement und positionierte sich ungewohnt sehr offen: Merkel reiste zwei Tage nach Kriegsende nach Russland und Deutschland bestand auf einer internationalen Untersuchung der Kriegsursachen. Ohne die ausgleichende Politik Deutschlands hätte die Krise womöglich gefährlich eskalieren können. Hardliner in den USA dachten immerhin an militärische Maßnahmen, um Georgien gegen Russland zu schützen …
USA
Viele Beobachter, insbesondere in Russland, waren der Ansicht, dass Saakaschwili auf Anweisung der USA handeln würde. Die Indizien deuten jedoch eher darauf hin, dass Washington instrumentalisiert wurde. Die Neigung der USA dies zuzulassen hat in den Jahren nach dem Amtsantritt Obamas nachgelassen. Gleichwohl: Die USA sind ihrem eigenen Anspruch in Georgien nicht gerecht geworden, ebenso wenig wie in Afghanistan oder dem Irak. Der Fehlschlag der US-Politik im Kaukasus dürfte zu der größeren Vorsicht beigetragen haben, die Washingtons Außenpolitik seit einigen Jahren leitet.
Flüchtlinge
Über 200.000 Georgier mussten als Folge der Kriege von Anfang der 1990er Jahre und 2008 aus Abchasien bzw. Südossetien flüchten, ebenso wie 100.000 Osseten aus Georgien. (Auf dieser Südossetienkarte sind die von ethnischen Georgiern bewohnten Dörfer mit blauen Punkten gekennzeichnet.)
(Quelle: http://www.civil.ge/img2004/South-OssetiaMap.jpg)
Vor 2006 konnten etliche tausend Georgier nach Abchasien zurückkehren. Dieser Prozess kam seit der Offensive Georgiens im Kodorital zum Stillstand und es gibt kaum realistische Aussichten, dass Flüchtlinge in ihre alte Heimat zurückkehren können.