Weltpolitische Fragen in aktuellen Meinungsumfragen

Das US-Meinungsforschungsinstitut „Pew Research Center“ (http://www.pewresearch.org/) veröffentlicht monatlich dutzende Umfragen, wiederholt auch zu außenpolitischen Fragen. Am 18. Juli 2013 wurden Ergebnisse veröffentlicht, die zu unserem Thema gehören: Die Einschätzung der USA und Chinas in 39 Ländern der Welt (http://www.pewglobal.org/2013/07/18/americas-global-image-remains-more-positive-than-chinas/). (Die Quellenangaben auf den folgenden Folien beziehen sich auch die Seitenzahlen der pdf.-Ausgabe, die auf der Seite von „Pew“ heruntergeladen werden kann.)

Folie1

(Seite 8)

Die erste Folie macht deutlich, dass die grundsätzliche Einschätzung der USA in Deutschland und Russland ähnlich ist. Positive Wertungen überwiegen, wenngleich nicht so stark wie etwa im Fall Italiens oder Polens. Es fällt auf, dass die USA in Russland positiver eingeschätzt werden als bei den NATO-Partnern Griechenland und der Türkei. Die genannten Eindrücke bestätigen sich in der langjährigen Betrachtung:

Folie2

(Seite 10)

Beim Vergleich der Werte zwischen Deutschland und Russland fällt beispielsweise auf, dass die USA während der zweiten Amtszeit Präsident Bushs (2004-2008) in Deutschland deutlich weniger positiv eingeschätzt wurden als in Russland. Mit der Präsidentschaft Obamas schossen die Sympathiezahlen für die USA hierzulande nach oben, während sie sich in Russland kaum veränderten. Seit 2009 ist die Zuneigung zu den USA in Deutschland relativ deutlich gesunken, in Russland hingegen leicht angestiegen, sodass sich die Werte in den beiden Ländern seit zwei Jahren fast identisch sind. Wenn man die Daten für den Zeitraum von 1999/2000 bis 2013 addiert und durch die Anzahl der 13 Umfragen teilt, so erhält man folgende Durchschnittswerte: Die USA genossen in Deutschland einen durchschnittlichen Sympathiewert von 50%, in Russland von 48%. Es wäre sinnvoll, die Angaben für die Befragung aus dem Jahr 1999/2000 herauszurechnen, denn die Werte dürften durch den Kosovokrieg von 1999 verzerrt sein. In diesem Fall genießen die USA in Deutschland einen Wert von 48%, in Russland 49%.

Die Ergebnisse der Umfragen in Deutschland und Russland weichen jedoch hinsichtlich Einschätzung der Politik Obamas erheblich voneinander ab:

Folie3

(Seite 19)

Deutsche waren in jeder der aufgeführten Umfragen optimistischer, dass der US-amerikanische Präsident richtig handelt als in jedem anderen Staat. In Russland hingegen war diese Zuversicht weniger ausgeprägt als in jedem anderen europäischen Land. Wie kann dieser Widerspruch zwischen den beiden Umfragen aufgelöst werden?

Folgende These scheint mir sinnvoll: Das Ausmaß der Zuneigung der Deutschen zu den Vereinigten Staaten ist zu einem im internationalen Vergleich hohen Grad dadurch bestimmt, ob die USA eine Politik betreiben, die den Vorstellungen der deutschen Bevölkerung entspricht. Deutsche halten dies zu einem hohen Prozentsatz anscheinend nicht nur für wünschenswert, sondern auch für möglich: Von Obama wird letztlich erwartet, dass er die US-Politik auf einen Ausgleich nach innen und außen lenkt. Diese Hoffnung ist in den vergangenen Jahren nur etwas geschwunden.

In Russland hingegen überwog bereits 2009 die Skepsis. Der Amtsantritt des neuen Präsidenten wurde mit keinen großen Hoffnungen verbunden. Seit 2010/11 sind die Werte nach einem kleinen Zwischenhoch für Obama noch deutlich gefallen: Aus der Annäherung zwischen Moskau und Washington ist nicht viel geworden, was in Russland gemeinhin den USA zur Last gelegt wird.

Auch in Bezug auf Chinas unterscheiden sich die Umfrageergebnisse zwischen Deutschland und Russland deutlich:

Folie4

(Seite 24)

Während sich die Werte in Russland auf einem anhaltend hohen Niveau bewegen, sind sie in Deutschland im internationalen Vergleich niedrig.

Zunächst zu Russland: Das russisch-chinesische Verhältnis ist von einer intensiven Zusammenarbeit geprägt, aber auch von Konkurrenz, beispielsweise um Zentralasien. Oder etwa von der Höhe der Gaspreise: China fordert für russische Gaslieferungen einen Discount in Milliardenhöhe. Aber die öffentliche Meinung in Russland lässt sich durch die Meinungsunterschiede nicht von ihrem Vorhaben abbringen, konstruktive Beziehungen zu entwickeln. – Die Politiker übrigens auch nicht. – Die Umfragen werden offensichtlich nicht durch emotionsbeladene Erwartungen dominiert.

Anders in Deutschland: Bei der Einschätzung außenpolitischer Fragen scheinen sich die Deutschen stark von ihren Gefühlen und Wünschen leiten zu lassen. Wer (anscheinend) daran geht sie zu erfüllen, wird mit ungewöhnlicher Zuneigung bedacht, wer sie aber nicht realisiert, wird in Umfragen abgestraft, ebenfalls in einem Ausmaß, das im internationalen Vergleich ungewöhnlich ist. (Die Umfragen, das sei angemerkt, wurden vor den jüngsten Enthüllungen um die geheimdienstlichen Aktivitäten der USA durchgeführt …) Vielleicht ist es kein Zufall, dass Deutschland weltweit für seine Märchen berühmt ist? Immerhin fangen viele folgendermaßen an: „Zu einer Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat …“