Die amerikanischen Wähler haben sich für einen Anti-Establishment-Politiker entschieden. Die amerikanische bzw. westliche Russlandpolitik wird sich ändern.
Beide amerikanischen Präsidentschaftskandidaten waren so unbeliebt, genossen so wenig Vertrauen wie keiner ihrer Vorgänger in den vergangenen Jahrzehnten. Dies hat teilweise mit ihrer Persönlichkeit bzw. ihrer innenpolitischen Agenda zu tun. Aber auch mit ihren außenpolitischen Ansichten, auf die ein Blick geworfen werden sollte:
Obama hat verstanden, dass die Macht der USA sinkt, andere Länder an Bedeutung gewinnen und militärische Macht meist keine Lösung politischer Fragen sein kann. Davon zeugt die sogenannte „Obama-Doktrin“ (http://www.theatlantic.com/magazine/archive/2016/04/the-obama-doctrine/471525/). Der bisherige US-Präsident hat sich in einigen Fragen durchsetzen können, in anderen jedoch nicht. In Bezug auf Syrien war die US-Politik eine unglückliche Mischung aus Verhandlungsbereitschaft einerseits und unnachgiebigen Worten (für die Clinton eintrat). Die Härte war unglaubwürdig, weil sie nicht durch entsprechende Macht unterfüttert werden konnte. Die USA waren und sind ein Instrument der Opposition in Syrien und nicht etwa umgekehrt. In Libyen war dies ähnlich. Washington und der Westen insgesamt agieren hilflos, sie besitzen keine vertrauenswürdigen sowie handlungsfähigen Verbündeten vor Ort.
2011 hat Obama zögernd der damaligen Außenministerin Hillary Clinton nachgegeben, die den Libyenkrieg wollte. Er hinterließ im Land selbst und in der internationalen Politik einen Scherbenhaufen, was Clinton bestreitet. Obama war – im Gegensatz zu Clinton und einem Großteil des amerikanischen Establishments – gegen verstärkte Waffenlieferungen an die Ukraine. Er hat hier größere Standhaftigkeit zeigen können und sich glücklicherweise durchgesetzt. Weiteres Kriegsgerät hätte den Konflikt weiter entfacht. Dies war und ist auch nachdrücklich die Position Deutschlands.
Die USA hätten unter einer Präsidentin Clinton womöglich Konflikte weiter entfacht (Ukraine, Syrien u.a.), ohne den Plan und die Mittel für ein konstruktives „Danach“ zu besitzen. Gut, dass sie nicht ins Weiße Haus einzieht.
Und Donald Trump? Ich halte ihn nicht für vertrauenswürdig, er ist unberechenbar. Ein „Kandidat Moskaus“ ist er nicht, was viele führende Medien in den vergangenen Monaten immer wieder behauptet haben (s. z.B. http://www.cwipperfuerth.de/2016/08/17/clinton-und-die-russischen-hacker-eine-durchsichtige-story/). Sie haben damit ihre Glaubwürdigkeit weiter untergraben und zu dem Wahlergebnis beigetragen. Dieses ist eher eine Protestwahl gegen das Establishment als ein Pro-Trump-Votum.
Welche Entwicklung könnte die amerikanische Russlandpolitik nehmen?
- Trump hat sehr deutlich gemacht, nicht Russland, sondern islamistische Extremisten als Hauptbedrohung seines Landes zu sehen. Diese Ansicht wird von einer breiten Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung geteilt. Ein Großteil des außenpolitischen Estabishments sieht hingegen Russland als die zentrale Gefahr. Die USA werden in Zukunft wieder verstärkt die Kooperation mit Russland in Syrien suchen. Hierfür gab es bereits Ende Oktober Anzeichen. Die USA haben nach eigenen Angaben knapp 1.000 Militärberater bei den syrischen Rebellen. Russland geht davon aus, dass es bis zu 4.000 sein könnten. Falls diese Angaben stimmen, dann wären etwa ebenso viele amerikanische wie russische Soldaten in Syrien.
Der Krieg in Syrien kann innerhalb recht kurzer Zeit beendet werden, wenn sich Washington und Moskau einigen – und gemeinsam Druck auf ihre jeweiligen Verbündeten ausüben, sich also nicht mehr instrumentalisieren lassen. Die amerikanische Bereitschaft hierzu wird unter Trump deutlich steigen.
- Die USA haben nach eigenen Angaben 300 Militärberater in der Ukraine. Ihre Anzahl wird sicher nicht ansteigen, was vermutlich unter Clinton der Fall gewesen wäre, sondern vermindert werden. Der Minsk-Prozess wird weiter eine Chance haben.
- Der Westen hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren die Sanktionen zunehmend verschärft, v.a. die USA. Dieser Prozess wird sich nunmehr umkehren.
Einen grundlegenden Ausgleich zwischen den USA und Russland erwarte ich nicht. Dafür ist das Misstrauen in weiten Kreisen in den beiden Ländern zu hoch. Trump wird dies womöglich anstreben – ebenso wie seine Vorgänger Bush und Obama – und scheitern.
Das Wahlergebnis wird merkliche außenpolitische Auswirkungen haben. Wichtiger ist jedoch eine andere Botschaft: In den westlichen Staaten ist ein großer und seit Jahren deutlich wachsender Teil der Bevölkerung nicht mehr bereit, den Eliten zu folgen. Sie wählen Anti-Establishment.