Der deutsche Außenminister betont eigene Positionen. Das wird in den USA vielen nicht gefallen.
Steinmeier hat sich in diesen Tagen in „Foreign Affairs“ geäußert, der vermutlich wichtigsten außenpolitischen Zeitschrift überhaupt. Man kann sicher sein, dass auf der ganzen Welt zehntausende Außenpolitiker, Diplomaten, Mitarbeiter von Denkfabriken und Journalisten seinen Beitrag aufmerksam lesen werden.
Sie finden den gesamten Beitrag (auf Englisch) unter https://www.foreignaffairs.com/articles/europe/2016-06-13/germany-s-new-global-role
Der Außenminister warnt davor, die wirtschaftliche Stärke Deutschlands über zu betonen. Hiermit hat er vollkommen Recht. Der Anteil Deutschlands (und auch der anderen westlichen Länder) an der weltweiten Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahrzehnten unaufhörlich. (Hierzu werde ich in Kürze einen Beitrag veröffentlichen.) Steinmeier weist darauf hin, dass wir uns lediglich etwas besser halten als manche unserer Partner. Und dies auch erst seit einigen, wenigen Jahren. Zuvor hatte Deutschland mehr als zehn Jahre größere wirtschaftliche Probleme als die meisten westlichen Länder.
In vielen Ländern – auch bei uns – gibt es übertriebene Vorstellungen über die Stärke und Möglichkeiten unseres Landes und des gesamten Westens. Steinmeier mahnt zu Recht Realismus an.
Auf der anderen Seite schreibt der Außenminister: „Einige Politiker, wie etwa der frühere polnische Außenminister Radek Sikorski, haben Deutschland als Europas ‚unentbehrliche Nation‘ bezeichnet. Deutschland hat diesen Status nicht angestrebt.“
Steinmeier teilt also der Ansicht, Deutschland sei mittlerweile die „unentbehrliche Nation“. Er stellt fest, Deutschland sei in den vergangenen Jahren eine weit größere Verantwortung zugewachsen, auch weltpolitisch. Steinmeier betont, Deutschland werde seine Führungsposition auch in Zukunft verantwortungsbewusst, zurückhaltend und überlegt ausüben.
Ich teile Steinmeiers Einschätzung der deutschen Außenpolitik grundsätzlich (trotz meiner Skepsis hinsichtlich der deutschen Händelung der Eurokrisen). Die deutsche Politik in Bezug auf den Irakkrieg 2003, den Libyenkrieg 2011, Syrien, den Iran oder die Ukrainekrise war tatsächlich verantwortungsbewusster und überlegter als diejenige anderer großer westlicher Länder.
(Ich empfehle Ihnen hierzu den Beitrag zum derzeitigen Ringen um die Sanktionen http://www.cwipperfuerth.de/2016/05/04/das-friedensabkommen-von-minsk/)
Der deutsche Außenminister spricht die Androhung oder Anwendung militärischer Gewalt als Mittel westlicher Außenpolitik nicht an, vom Irak 2003 abgesehen. Er spricht sich aber indirekt und unmissverständlich dagegen aus, indem er anhaltend für eine zivile Konfliktaustragung wirbt. Das sieht er als die Aufgabe Deutschlands. Und vermutlich nicht nur unseres Landes.
Steinmeier kritisiert zwar unmissverständlich das russische Vorgehen auf der Krim und in der Ukraine, aber in Bezug auf die Vergangenheit, nicht auf die Gegenwart. Er schreibt an keiner Stelle, Russland wäre eine „Gefahr“, was viele andere Politiker (und Medien) so gerne heraus streichen. Er betont, Deutschland „werde alles tun“, um einen neuen Kalten Krieg zu verhindern. Deutlicher geht es nicht.
Steinmeier bezeichnet die Welt zwar nicht ausdrücklich als „multipolar“, worauf nicht zuletzt Moskau pocht. Er schreibt jedoch es sei ein Irrtum zu glauben, die Welt sei unipolar, nach Steinmeiers Ansicht ist sie also multipolar, es gibt weltweit demzufolge mehrere Machtzentren. Dies werden einige unserer Partner nicht gerne hören.
Mitunter wird Steinmeier auch sehr deutlich. Er betont ausdrücklich, Deutschland glaube nicht an die „Außergewöhnlichkeit“ irgendeiner Nation. Genau dies beanspruchen die USA für sich selbst.