Die Republik Moldau befindet sich zwischen Rumänien und der Ukraine. Das 33.700 Quadratkilometer große Land zählt etwa 3,4 Millionen Einwohner. 1991 erklärte Moldau seine Unabhängigkeit. Transnistrien, der nordöstliche Teil der Republik, verweigerte sich jedoch der zentralen Staatsgewalt. In diesem schmalen Streifen leben auf einer Fläche von 4.163 Quadratkilometern etwa 550.000 Menschen. Kurze Zeit nach der Erlangung der Unabhängigkeit versuchte Moldau mit Waffengewalt, die Abtrennung des Landesteils zu verhindern. Es waren 1.500 Tote zu beklagen, bevor russische Truppen eingriffen und das Blutvergießen beendeten.
Die zu etwa zwei Drittel russisch- bzw. ukrainischsprachigen Transnistrier fürchteten einen Anschluss Moldaus an Rumänien, der in der nationalistisch aufgeheizten Stimmung dieser Jahre breit diskutiert wurde. Moldau, nicht jedoch Transnistrien, war vor 1940 ein Teil Rumäniens, und die offiziell als „Moldauisch“ bezeichnete Staatssprache der Republik ist mit dem Rumänischen faktisch identisch.
Ein Anschluss an Rumänien wird weiterhin von einer beträchtlichen Minderheit der Bevölkerung gefordert, steht jedoch nicht mehr auf der Tagesordnung. Moldau ist aber nach wie vor der einzige Nachfolgestaat der UdSSR, dessen Bevölkerung noch keinen Konsens über die nationale Identität gefunden hat.
Mehrere Versuche, den „eingefrorenen Konflikt“ einvernehmlich zu lösen, scheiterten. Es kam aber zu keinem erneuten Blutvergießen. Dies lag auch an der Friedenstruppe, an der Truppen Moldaus, Transnistriens und Russlands zu gleichen Teilen mitwirken. Darüber hinaus hat Russland etwa 1.000 weitere Soldaten in Transnistrien stationiert. Die offizielle russische Begründung lautet, ein Waffen- und Munitionsdepot bewachen zu müssen. Dies hätte jedoch bereits vor langen Jahren aufgelöst sein können. Tatsache ist, Russland möchte zeigen, auch in Zukunft ein sehr gewichtiges Wort über die Zukunft Transnistriens bzw. Moldaus mitsprechen zu wollen. Die Anwesenheit von Truppen soll dies garantieren. (Zur Spaltung Moldaus zwischen Ost und West s. http://www.cwipperfuerth.de/2015/03/die-republik-moldau-ein-weiteres-land-zwischen-ost-und-west/)
Fast ein Drittel der Bewohner Transnistriens hat zudem mittlerweile die russische Staatsangehörigkeit, nicht zuletzt, weil die Pässe Transnistriens international nicht anerkannt werden.
1999 hatte Russland auf dem OSZE-Gipfel in Istanbul zugestimmt, seine Truppen abzuziehen. Ihr Abzug wurde jedoch in allen Dokumenten mit einer Lösung des Status‘ von Transnistrien verbunden. Hierüber konnten Moldau und das Sezessionsgebiet jedoch keine Einigung erzielen, sodass die russischen Truppen vor Ort blieben.
Seit etwas über einem Jahr versuchen sowohl die Ukraine als auch Moldau, über die Transnistrienfrage Druck auf Russland auszuüben. Seit März 2014 untersagt die Ukraine männlichen Transnistrieern mit russischer Staatsangehörigkeit grundsätzlich die Einreise. Und Moldau erschwert russischen Soldaten den Transit durch die Republik. Nur Soldaten, die der von Moldau gut geheißenen Friedenstruppe angehören, erhalten hierfür die Erlaubnis und russische Offiziere, die einen Monat im Voraus ihren Transitwunsch ankündigen. – Transnistrien hat wohlgemerkt nur Moldau und die Ukraine als Nachbarn und keinen Zugang zum Meer.
Ende Mai kündigte das ukrainische Parlament mehrere Abkommen mit Russland, u.a. die Erlaubnis, Nachschub für die russischen Streitkräfte in Transnistrien über ukrainisches Territorium zu liefern. Die Verfasser des Gesetzes, nationalistische Abgeordnete der Partei „Swoboda“ sowie der Partei Oleg Ljaschkos, begründeten ihre Initiative mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der Unterstützung der separatistischen Bewegung in der Ostukraine.
Die praktischen Auswirkungen der Maßnahmen Kiews bleiben bislang begrenzt, da Russland die Transitmöglichkeiten durch die Ukraine aus naheliegenden Gründen seit März 2014 nicht mehr nutzt. Die Mannschaften und Unteroffiziere des russischen Kontingents in Transnistrien sind in aller Regel Bewohner des Gebiets mit russischem Pass. Lediglich die Rotation der aus Russland kommenden Offiziere wird durch Moldau behindert.
Ende Mai wurde aber der umstrittene ehemalige Präsident Georgiens, Michail Saakaschwili, von Präsident Poroschenko zum Gouverneur des ukrainischen Gebiets Odessa ernannt, das direkt an Transnistrien grenzt. Sakaschwili wird sicher das ihm Mögliche tun, Russland in der Transnistrienfrage unter Druck zu setzen. Die Gefahr einer direkten militärischen Auseinandersetzung in der Region ist nicht hoch, aber zweifellos gestiegen.
Russland befindet sich hinsichtlich Transnistriens zweifellos in einer schwierigen Situation, die auf Dauer vielleicht nicht tragbar ist und zu einer Eskalation auch in diesem Gebiet führen könnte. So gab es auf russischer Seite Gedankenspiele, russische Militärflugzeuge über den ukrainischen Luftraum nach Transnistrien zu entsenden. Die Ukraine hat im Gegenzug vor kurzem leistungsfähige Luftabwehrwaffen nahe Odessa stationiert.
Die jüngste Eskalation soll vielleicht nur die ukrainische Verhandlungsposition verbessern, denn in den nächsten Tagen stehen Verhandlungen über ein neues Gaslieferungsabkommen zwischen Russland und der Ukraine an. Russland gewährt der Ukraine seit diesem Frühjahr einen Preisnachlass von 30%, sodass die Ukraine einen deutlich niedrigeren Gaspreis zahlt als die Länder West- oder Mitteleuropas. Zudem sind die russischen Kohlelieferungen an die Ukraine seit Ende des vergangenen Jahres deutlich angestiegen. Dafür werden gegen Entgelt wieder Wasser und Strom auf die Krim geleitet, was Kiew Monate unterbunden bzw. eingeschränkt hatte.
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