Reformen in der Ukraine

Auf dem Weg zu Rechtsstaatlichkeit und der Bekämpfung der Korruption gibt es etwas Licht, aber viel Schatten. Die Medien sind weiterhin in der Hand der Oligarchen.

Fangen wir mit dem Fortschritt an: Die Polizei wurde neu etabliert, anscheinend nach leistungsbasierten und transparenten Einstellungsverfahren. Das ist ein Erfolg.

Die Negativliste ist leider länger. Wie steht es um die Bekämpfung der Korruption in der Ukraine? Vor einem Jahr trat ein umfangreiches Gesetz in Kraft. Die OECD betrachtete ihre entsprechenden Empfehlungen als vollständig umgesetzt. Kiew richtete eine „Nationale Agentur für die Prävention von Korruption“ ein. Sie wird allerdings von der Regierung kontrolliert. – Wie soll eine von der Regierung kontrollierte Einrichtung nicht zuletzt die Regierung kontrollieren? – Mitglieder der vorgeblich unabhängigen Auswahlkommission für die führenden Posten der Agentur unterhielten zudem enge Verbindungen zu Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk, der gegenwärtig das Vertrauen von unter einem Prozent der ukrainischen Bevölkerung genießt …

Es gibt weitere unerfreuliche Details:

Ïåðâûé çàìåñòèòåëü ïðåäñåäàòåëÿ ïðàâëåíèÿ ÍÀÊ «Íåôòåãàç Óêðàèíû» Èãîðü Äèäåíêî íà çàñåäàíèè Ñîâåòà íàöèîíàëüíîé áåçîïàñíîñòè è îáîðîíû, ïîñâÿùåííîì âîïðîñó î áåçîòëàãàòåëüíûõ ìåðàõ ïî îáåñïå÷åíèþ ýíåðãåòè÷åñêîé áåçîïàñíîñòè Óêðàèíû, â Êèåâå, âî âòîðíèê, 10 ôåâðàëÿ 2009 ã.  õîäå çàñåäàíèÿ Ïðåçèäåíò Óêðàèíû ñêàçàë, ÷òî âûñòóïàåò çà óñòàíîâëåíèå êîíòðîëÿ ÑÍÁÎ íàä ïîëèòèêîé ýíåðãîñáåðåæåíèÿ â Óêðàèíå.“Ìû äîëæíû ïîñòàâèòü î÷åíü ÿñíî, ÷åòêî ïîëèòèêó ýíåðãîñáåðåæåíèÿ â 2009 ãîäó. Ìû äîëæíû âûéòè íà ìàêñèìàëüíî âîçìîæíîå îãðàíè÷åíèå ïîòðåáëåíèÿ ãàçà”, - îòìåòèë Ïðåçèäåíò. Ïðè ýòîì îí äîáàâèë, ÷òî “ìû ïîäõîäèì ê òîìó, ÷òîáû íà îäíîì èç çàâåäåíèé ÑÍÁÎ ñòàâèòü âîïðîñ ÿäåðíîé áåçîïàñíîñòè â êîíöåïöèè ñòðàòåãèè äî 2030 ãîäà. È ñòàâèòü âîïðîñ íà î÷åðåäíîé áþäæåòíûé ãîä î ñòðîèòåëüñòâå î÷åðåäíîãî ÿäåðíîãî ðåàêòîðà”. “Îáðàùàþñü ê ÑÍÁÎ ñ èíèöèàòèâîé, ÷òîáû íà êîíòðîëü Ñîâåòà áûëè ïîñòàâëåíû ïîëèòèêà ýêîíîìíîãî èñïîëüçîâàíèÿ ýíåðãèè âñåõ âèäîâ â Óêðàèíå, ïîëèòèêà ýíåðãîñáåðåæåíèÿ”, - äîáàâèë Ïðåçèäåíò. Ôîòî ÓÍÈÀÍ

Ihor Didenko, Vize-Energieminister, besitzt gemeinsam mit Ihor Kolomojskyi und Hennadij Boholjubow ein Unternehmen, obgleich die beiden genannten Oligarchen erhebliche Interessen im Energiesektor besitzen. Didenko hatte beide zudem bevorzugt behandelt, als er andere führende Posten im Staatsapparat inne hatte. Didenko war bspw. stellvertretender Vorsitzender der staatlichen Gasgesellschaft gewesen. (Zum Thema Korruption in der Ukraine s. auch http://www.cwipperfuerth.de/2015/06/25/korruption-in-der-ukraine/).

Und die Wahlen? Die Wahlgesetzgebung wurde in der Ukraine traditionell im Sinne der dominierenden Elite vor jeder Wahl geändert. Diesem Muster blieb Kiew treu. Das Kommunalwahlgesetz wurde lediglich drei Monate vor dem Urnengang geändert, ohne dass substanzielle Debatten im Parlament geführt wurden. Die zahlreichen Binnenflüchtlinge hatten keine Möglichkeit ihre Stimme abzugeben und in einigen Regionen, in denen die Regierungsparteien lediglich eine niedrige Zustimmung genossen, wurden die Wahlen aus intransparenten Gründen sehr kurzfristig abgesetzt.

Susan Stewart, Mitarbeiterin der SWP stellt fest: Es gibt eine „weitgehende Kontinuität bei der politischen und administrativen Elite. Sie hat wenig genuinen Reformwillen und lässt sich nur auf Änderungen ein, wenn externe Akteure oder reformorientierte Kräfte im Inneren entsprechend hohen Druck ausüben.“ (Die heutige Ukraine und der Rechtsstaat. Weitgehendes Eliteversagen stellt die Reformen in Frage, in: SWP-Aktuell 3/2016, S. 6. Der acht Seiten umfassende Bericht ist auf der Seite www.swp-berlin.org herunterzuladen.)

So bleibt das langjährige Muster in der Ukraine (und anderen postsowjetischen Ländern, auch in Russland) bestehen: Die Gesetztestexte sind in weiten Bereichen in Ordnung, aber ihre Umsetzung mangelhaft. Und einige der neu verabschiedeten Gesetze eröffnen einen sehr breiten Ermessensspielraum, sodass das Recht weiterhin selektiv angewandt werden kann.

Wirtschaftsminister Aivaras Abromavicius erklärte darum vor kurzem seinen Rücktritt mit den Worten: „Der Grund ist die deutlich intensiver gewordene Blockade jedweder systemischer und wichtiger Reformen in unserem Land. Die Rede ist nicht nur von fehlender Unterstützung oder fehlendem politischen Willen. Der Widerstand ist darauf gerichtet, die gesamte Reformarbeit lahmzulegen.“ Er fuhr fort: „Ich will nicht nach Davos fahren und über unsere Erfolge reden, wenn derweil hinter meinem Rücken irgendwelche Entscheidungen im Interesse einzelner Leute getroffen werden. Diese Leute haben Namen. Und einen dieser Namen werde ich Ihnen jetzt nennen. Es ist Ihor Kononenko.“

Kononenko ist erster StellvertreterIhor_Kononenko des Fraktionsvorsitzenden der Partei „Block Petro Poroschenko“ und enger Vertrauter des Präsidenten. Abromavicius erklärte, Kononenko versuche mithilfe von Abgeordneten der Präsidentenpartei seit längerer Zeit, bestimmte Kandidaten als Generaldirektoren wichtiger Staatsbetriebe durchzusetzen.

Wie reagiert der Westen? Durchaus mit einem gewissen Druck hinter den Kulissen. So hat die EU die in Aussicht gestellte Visaabschaffung von der Erfüllung detaillierter Forderungen in der Korruptionsbekämpfung abhängig gemacht. Und der Internationale Währungsfonds (IWF) verzögerte Ende 2015 die Auszahlung einer bereits vereinbarten Kredittranche an Kiew, weil dieses keinen annehmbaren Haushalt für 2016 vorgelegt hatte.

Einen handfesten Druck übt der Westen auf Kiew aber nicht aus, bleiben wir beim IWF: Dieser hat der Ukraine hohe Kredite vergeben. Im März 2015 waren es bspw. 5 Mrd. US-Dollar, im August weitere 1,7 Mrd. US-Dollar. Im Dezember 2015 erklärte die Ukraine, den fälligen, von Russland gewährten Kredit über 3 Mrd. Euro nicht zurückzahlen zu können. Dem IWF war es aufgrund seiner Statuten somit untersagt, einem insolventen Land weitere Mittel zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund hatte der Währungsfonds Griechenland und Irland während der Finanz- und Eurokrise keine Kredite zur Verfügung stellen können. Der IWF änderte jedoch seine Statuten, sodass auch 2016 insgesamt weitere 5,8 Mrd. US-Dollar IWF-Mittel an Kiew fließen sollen. (Zur Vergabepraxis des IWF s. http://www.cwipperfuerth.de/2015/06/16/griechenland-und-die-ukraine-wie-der-westen-sich-selbst-ein-bein-stellt/).

Es ist zudem nicht stichhaltig, die Bringschuld für die Umsetzung der Vereinbarungen von „Minsk 2“ lediglich bei Moskau zu sehen. Natürlich hat auch die Ukraine ihren Teil beizutragen, scheint dazu in zentralen Bereichen hierzu aber nicht bereit. Deutschland mahnt, durchaus, aber hinter den Kulissen. Andere westliche Länder stärken Kiew hingegen den Rücken, es mit den Vereinbarungen nicht so genau zu nehmen.

Das Muster lautet: Bei Führungen, die sich als „pro-westlich“ bezeichnen nicht so genau hinzusehen. Im Falle der Republik Moldau mit desaströsen Folgen. Im Falle der Ukraine sieht es nur wenig besser aus.

Könnte nicht die ukrainische Öffentlichkeit verstärkten Druck ausüben, um die Eliten zu konstruktiven Reformen zu nötigen? Die Zivilgesellschaft besitzt bemerkenswerte Stärken, aber die zehn größten Fernsehkanäle des Landes gehören mächtigen Oligarchen, bspw. Präsident Poroschenko. Dieser hatte vor seiner Wahl erklärt, sein Fernsehsender werde nach seinem Amtsantritt unabhängig sein. Dies ist jedoch keineswegs der Fall.

Es gibt einzelne, mutige und gut informierte Zeitungen, aber das Gesamtbild ist ernüchternd. In einer Umfrage erklärten 2015, 94% ihrer Nachrichten aus dem Fernsehen zu beziehen, 52% gar ausschließlich.

 

Quellen:

Foto von Ihor Didenko: http://www.kyivpost.com/article/content/ukraine-politics/naftogaz-has-asked-ojsc-gazprom-to-pump-2-billion-cubic-meters-of-gas-to-ukraine-347981.html

Foto von Ihor Kononenko: https://en.wikipedia.org/wiki/de:Creative_Commons; https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de; https://www.youtube.com/watch?v=d-LSi8IPEc0

Ein Gedanke zu „Reformen in der Ukraine“

  1. Für eine Verbesserung der Lage in der Ukraine gibt es tatsächlich wenig Hoffnung. Die wirtschaftlichen Perspektiven der einfachen Menschen werden sich eher verschlechtern, und der Bevölkerung der Ostukraine wird weiterhin ein „normales Leben“ vorenthalten bleiben.
    Auch der Kiew-Besuch Franz-Walter Steinmeiers und seines französischen Ressortkollegen Jean-Marc Ayrault sowie das bevorstehenden Außenministertreffen im Normandie-Format am 3.März bieten wenig Anlass zum Optimismus. So gelangen die „Deutsch-Russischen Wirtschaftsnachrichten“ zu folgender Einschätzung (http://drwn.de/de/donbass-eine-bestandsaufnahme/):
    „Von der Regierung in Kiew ist kein Kompromiss zu erwarten; für die übrigen Europäer wird der Donbass immer mehr zum Nebenschauplatz; in Moskau hat man kein Problem damit, die Sache auszusitzen; die Amerikaner, wie sich jetzt in Syrien gezeigt hat, arrangieren sich mit den Russen doch, wann immer es ihnen gefällt. Angesichts einer solchen Gemengelage sollen zwei westeuropäische Außenminister ihr diplomatisches Gewicht riskieren?“

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