Die Krim – Das Vorgehen Russlands

Dies ist der zweite Teil einer Reihe über den Verlauf und die Hintergründe des Machtwechsels auf der Krim. Den ersten Teil finden Sie unter http://www.cwipperfuerth.de/2014/10/die-krim-der-machtwechsel/.

Am 21. Februar vereinbarten die damalige Opposition und Präsident Wiktor Janukowitsch unter der Vermittlung Deutschlands, Frankreichs, Polens und Russlands ein Verfahren zur Beilegung der Konflikte, die in den Tagen zuvor etwa 100 Menschenleben gekostet hatten. So wurde beschlossen, dass die Führung des Landes, die Opposition und der Europarat Untersuchungen über die Gewalttaten gemeinsam durchführen, was die neue Führung, die am 22. Februar unter der Androhung von Gewalt die Macht übernahm, nicht einhielt. Sie ernannte stattdessen ein führendes Mitglied der extrem nationalistischen, wenn nicht rechtsradikalen „Swoboda“-Partei zum Generalstaatsanwalt. Unvoreingenommene Untersuchungen waren somit ausgeschlossen. Dabei könnten nicht nur Vertreter der Sicherheitsorgane, sondern auch rechtsradikale Aktivisten Verbrechen begangen haben. Es wurde, anders als vereinbart, auch keine Regierung der nationalen Einheit gebildet. Zudem revidierte das Parlament das Sprachengesetz von 2012, das Regionen gestattete, neben dem Ukrainischen eine weitere Sprache für den offiziellen Verkehr zuzulassen, was die Gräben zwischen den Landesteilen vertiefte. Die Neuregelung trat zwar nicht in Kraft, aber die neue Führung hatte deutlich gemacht, das Land in eine betont „russlandkritische“ Richtung zu lenken.
Am 27. Februar wurde Sergej Axjonow Sergey_Aksyonov_March_2014_(cropped)vom Parlament der Krim zum Ministerpräsidenten der Halbinsel gewählt. Seine Partei hatte bei vorhergehenden Wahlen nur eine Zustimmung im einstelligen Prozentbereich erhalten. Das Verfahren der Amtsenthebung von Janukowitsch durch das ukrainische Parlament war unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden, die Amtserhebung Axjonows war noch weit fragwürdiger und ähnelte einem Staatsstreich mit russischer Rückendeckung. Während Moskau die ukrainische Staatsleitung nicht anerkannte, akzeptierte es jedoch diejenige auf der Halbinsel.
Die Moskauer Außenpolitik war etwa 20 Jahre reaktiv und defensiv gewesen. Der Krieg von 2008 um Südossetien und insbesondere die russische Syrienpolitik waren Indizien eines möglichen Wandels. Mit der Krim ging der Kreml erstmals in die Offensive, wenngleich es sich aus russischer Sicht auch dort um eine defensive Maßnahme handelte.
Eine Angliederung war zunächst womöglich nicht die bevorzugte Option des Kreml, die Krim sollte vielmehr als Verhandlungsmasse dienen, um den Westen und Kiew zu einer Rücksichtnahme auf russische Interessen veranlassen zu können: die Volksabstimmung über die Zukunft der Krim war zunächst für den 25. Mai geplant. Es hätte drei Monate Zeit für Verhandlungen gegeben. Die Abstimmung wurde aber bereits nach zwei Tagen auf Ende März vorverlegt. Nachdem die „Kontaktgruppe“ nicht zustande gekommen war (s. http://www.cwipperfuerth.de/2014/10/die-krim-der-machtwechsel/) wurde sie auf den 16. März vorverlegt. Kiew und der Westen schienen aus Sicht Moskaus nicht zu einem Entgegenkommen bereit. Der Kreml wollte Garantien, dass sich die Ukraine weder nach innen, noch nach außen zu einem „antirussischen“ Staat entwickelt.
Präsident Putin verwies am 4. März auf das Selbstbestimmungsrecht, das den Menschen auf der Krim zustehe. Dies war im Grundsatz nicht zu beanstanden, aber keine hinreichende Rechtfertigung für Russlands Vorgehen: Dieses hatte seine Garantie der territorialen Integrität der Ukraine unerwartet für gegenstandslos erklärte, ließ tausende Soldaten ohne Hoheitsabzeichen agieren und versuchte zudem durch den unverfrorenen Täuschungsversuch, über diese keine Kommandogewalt auszuüben, hiervon abzulenken. Putin betonte am 4. März aber zugleich, es gebe keinerlei Annektionspläne. Als am 6. März die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten zu einer Krim-Krisensitzung zusammenkamen, wurden die Vereinbarungen vom 21. Februar gar nicht mehr thematisiert. Der Westen zeigte Unnachgiebigkeit, als Reaktion auf das russische Vorgehen. Russland wiederum sah ebenfalls Anlass, als Reaktion auf westliches Verhalten mit Härte zu reagieren: Am 7. März erklärte Präsident Putin, Russland könne Hilfeersuchen russischsprachiger Bürger der Ukraine nicht ignorieren, die durch rechtsradikale ukrainische Nationalisten massiven Gefahren ausgesetzt seien. Das russische Staatsoberhaupt verschärfte somit seine Sprache und sprach eine massive Drohung aus, nicht nur auf der Krim militärisch einzugreifen.

Quelle der Abbildung Sergej Axjonows: http://government.ru/meetings/11371/